Wie ich meine Höhenangst überwunden habe

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Wie kann man Ängste überwinden? Eine persönliche Erfahrung mit Angstzuständen und die Lösung dafür.

Wenn man mir vorher gesagt hätte, dass ich im Oktober durch eine enge, steile Klamm krieche und anschließend im Zickzack einen noch viel steileren Berg erklimme, hätte ich demjenigen den Vogel gezeigt. Aber gemeinsam mit meiner Lieblingsreisegruppe habe ich meine Angst besiegt.

Hallo, da sind wir wieder … nach einer verlängerten Sommerpause brauchte es wohl den ersten Schnee, um uns Coaches wieder zum Schreiben zu bekommen.

Was in der Zwischenzeit geschah… Oder: Wie die Starzlachklamm mein Leben veränderte

Anfang Oktober sind Kathy und ich mal wieder mit unseren Männern ins Allgäu gefahren. Wandern, schön essen, die Natur genießen – so was stand auf dem Programm. Außer mir würden alle gern etwas mehr mit „klettern und kraxeln“ machen. Mir aber trieb schon der Gedanke den kalten Angstschweiß auf die Stirn. Ich hasse den Schlund, fange an zu zittern und gehe keinen Meter mehr weiter. Von daher: Bitte solcherlei Wanderungen vermeiden!

Wir kamen an einem Sonntag an. Am Montag wurde erstmal das Lieblings-Outletcenter für Outdoorbekleidung in Sonthofen geentert. Schließlich kann man nie genug Fleecejacken und coole Mützen haben. Beim Rausgehen sehe ich an der Ampel ein Schild: Starzlachklamm links – quasi um die Ecke. Und ich bin auch noch so bekloppt, und weise meine Lieblingsreisegruppe darauf hin. Denn ich wusste, diese Klamm fanden sie gut. Und ich bin ja eine ehrliche Socke und wollte auch nicht der Spielverderber sein. So schlimm kann das doch nicht sein …

Eine Stunde später standen wir am Eingang der Klamm

Schon der Weg dorthin hatte mir – wegen rutschig, wurzelig, uneben – gereicht. Allein wäre ich da nie lang gegangen. Aber dank der vielen Hände meiner drei Begleiter ging es langsam, aber stetig voran.
Dann begann die eigentliche Klamm. Kaum zu sehen, so schmal war der Eingang. Rechts ein Stahlgeländer, links der überhängende Fels, dazwischen ein paar winzige Betonstufen. Eng, steil, anstrengend. Der Klammwirt am Eingang hatte gesagt: Ach was, 20 Minuten, dann seid ihr durch. Danach geht‘s noch kurz bergauf, dann seid ihr auf einer schönen Wiese.

Na gut, dachte ich, stell dich nicht so an

Die Klamm: Wundervolle Farben des Wassers. Ein Kranich durchfliegt die Berg-Enge. Es tost, sprudelt und quirlt unter uns.
Der Weg wird immer anstrengender. Wir ziehen uns am Metallgeländer die Ansteigung hoch. So ein fester Stahl kann sehr vertrauenerweckend sein. Ich fühle mich trotz allem stabil und sicher. Kathy hinter mir, die Männer davor. Einmal durchschreiten wir im Stockdunkeln eine enge Passage. Cool!
Dann lag die Klamm tatsächlich hinter uns. Super, dachte ich. Ich war fix und alle, aber stolz. Nur noch kurz ein paar Mal im Zickzack den Berg hoch … dann kommt die schöne Wiese …

Pustekuchen. Das war erst der Anfang!

Es ging weiter am Abhang entlang. Immer weiter nach oben, kein Ende in Sicht. Übrigens auch keine Alternative, außer zurück – das kam nicht in Frage.
Aus dem stabilen Stahlgeländer in der Klamm war mittlerweile wackeliges Holz geworden. Wenn es denn überhaupt einen Halt gab.

Viele Hände und ein klares Ziel …

Eine geschlagene Stunde krochen wir im Zickzack den Berg hoch. Teilweise musste ich anhalten, durchatmen, mich fiktiv an meinen „sicheren Ort“ (eine Übung aus der Trauma-Therapie-Fortbildung) begeben, dann ging es wieder weiter. Kathys Hand, Ralfs Hand, Andis Hand. Ohne die drei hätte ich mich hingesetzt und wäre keinen Meter mehr gegangen.

Irgendwann dann, unter einer Art Felsüberhang …

Endlich: eine Bank unter einem kleinen Plateau, darüber die Felsen. Kurze Pause, für mich der Horror, denn jetzt sah ich erst, wo wir hinaufgestiegen waren.
Die Angst kam noch mal richtig hoch. Eine Milchschnitte wirkte Wunder: Der Zucker gab mir die Power – und mein Mann half mir über ein paar kritische Stellen hinweg. Plötzlich: Die Wiese!

Geschafft! Ein super Gefühl!

Dass wir auf der weiteren Wanderung nach unten noch ein paar Mal ordentlich kraxeln und uns unter Stacheldrahtzäunen durchwinden mussten, um zurück zu finden, war schon fast geschenkt. Holla, was für eine Wanderung …

Was war passiert?

Neulich war ich auf einer Psychodrama-Tagung. Auch dort ging es um Ängste – und wann man sie überwinden kann: Wenn man sich in der Stress-Situation trotzdem sicher und geborgen fühlt. Das hatte ich mich – dank meinem Vertrauen zu meiner Lieblingsreisegruppe, und dem Halt, den sie mir wortwörtlich und im übertragenen Sinne gaben. Ohne sie hätte ich das nicht geschafft. Aber mit der richtigen Unterstützung läuft‘s.

Auf den nächsten Wanderungen war ich schon mutiger, weil mir diese Erfahrung Sicherheit gegeben hat!

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About Gudrun Jay-Bößl

Gudrun Jay-Bößl, Heilpraktikerin für Psychotherapie, systemischer Coach und NLP-Master. Lösungsorientiert, pragmatisch und humorvoll. Mit innovativen Methoden aus der Kurztherapie auf zu neuen Möglichkeiten für die KlientInnen.